Anglesey (Nordwales)
28. August bis 6. September 2020
April 2020 - Corona hat Deutschland fest im Griff. Die geplante Schottland-Tour mit Conny, Wolfgang und einer Hamburger Freundin fällt aus. Was wird aus dem Anglesey-Urlaub? Anfang August 2020: Die Reise nach Wales ist nun ohne Quarantäne möglich, hurra!
Maskiert, aber nicht übermäßig besorgt fliegen am 28. August Conny, Garci, Karin und ich sowie zwei Hamburger Paddlerinnen von Schönefeld nach Manchester - von dort ging es mit Mietautos weiter nach Holyhead.
Das Quartier bei den Sea Cadets (der britischen Royal Navy-Jugendfreizeitgruppe) kennen wir schon, schnell fühlen wir uns also heimisch. Das Wetter empfiehlt uns den Start gleich am nächsten Tag, also noch schnell zu Tesco und den ersten (riesen-)großen Einkauf machen. Danach suchen wir uns ein Restaurant. Coronabedingt werden wir erst beim dritten Anlauf fündig.
Am nächsten Tag geht es los. Viel Abstand wahrend erhalten wir von Eila Wilkinson, unser herzensguten und sehr erfahrenen Kursleiterin, fabrikneue Kajaks und Ausrüstung. Auch ihr Auto und Kajaktrailer sind neu. Also viele „firsts“, schon bevor es richtig losgeht. Bei bestem walisischem Wetter können wir uns also an Tidengewässer, Felsenküste und Wellen gewöhnen.
Vom Sandstand in Trearddur Bay geht es dicht entlang an bzw. zwischen den Felsen von Holy Islands Südküste nach Rhoscolyn. Nach einer Pause in einer kleinen Bucht machen wir uns dann zufrieden auf den Rückweg.
Am nächsten Tag bei ruhiger See starten wir an Angleseys Nordküste von Cemlyn Bay. Das kleine, aber feine Tidal Race „Harry’s Furlough“ gibt uns eine erste Gelegenheit, auf stehenden Wellen („Tidal Race“) unser technisches Geschick im Kajak zu üben. Danach geht es strömungsbedingt mit viel Vorhalt (bis zu 70 Grad) zu der vor der Küste liegenden Inselgruppe „The Skerries“.
Es sind kaum Seevögel da, aber Kegelrobben - und ungewöhnlich: viele Bootstouristen. Auf dem Leuchtturmwärterhaus finden wir trotzdem ein ruhiges Fleckchen und machen es uns hoch oben gemütlich. Bei selbst gerollten Wraps, belegten Broten, Keksen, Tee und Kaffee lassen wir den Blick rund herum auf Meer und Küste schweifen - toll!
Der Rückweg ist da schon beschwerlicher. Die Ebbe hat ihr Werk getan. A la Eimerkette bugsieren wir auf glitschigem Untergrund unsere Kajaks runter zum Wasser. Zum Glück gab’s bei Mensch und Material keine „Verluste“ zu beklagen.
Auf der Rückfahrt spielt dann eine der entspannten Kegelrobben längere Zeit mit dem Toggel meines Kajaks. Teilweise gegen die zunehmende Strömung, und ein vor dem Festland befindliches Tidal Race meidend, arbeiten wir uns zurück nach Cemlyn Bay. Auf der Rückfahrt durch das sanft hügelige und grün bewachsene Anglesey kann später jeder nochmals die persönlichen Höhepunkte des Tages Revue passieren lassen. Der Wind sorgt dann auch an diesem Abend wieder zuverlässig für getrocknete Paddelsachen.
Abends, wenn wir nicht (viel zu große Mengen) Pasta, indische Reisgerichte, Gemüsepfanne etc. kochen, gehen wir in eines der gemütlichen Restaurants von Holy Island, z. B. ins “Sea Shanty“ in Trearddur Bay. Dessen Sammlung von in Flaschen abgefülltem Sand von Stränden rund um die Welt vermittelte einen Eindruck, wie vielfältig (Größe, Farbe, Form etc.) Sand doch ist.
Der dritte Paddeltag hatte eine Umrunde von Holy Island zum Ziel. Ebbe-und-Flut-bedingt mussten wir einen genauen Zeitplan einhalten, damit wir es schaffen. Leider war uns das Glück nicht hold. Zu langsam, zu spät gestartet, falsche Gezeitenberechnung? Wer weiß … Kurz vor dem ersten „Tidal Gate“, einem Tunnel unter der Zufahrtsstraße nach Holy Island, war leider schon Schluss - nach gut der Hälfte der (geplanten) Strecke: das Wasser floss schon viel zu stark entgegen. Eine Portage machte auch keinen Sinn. Also ging es nach eiligem Mittagessen wieder zurück zum Ausgangspunkt. Denn auch auf dem Rückweg tickte die Uhr in unserem Nacken. Zerknirscht und ausgepowert kamen wir nach gut 40 Kilometern, viel Gegenwind und -strömung wieder in Porth Darfach an. Die „Circumnavigation"“muss wohl bis zum kommenden Jahr warten!
Wir waren also alle froh, dass wir danach zwei Tage Landurlaub zum „Batterien wieder aufladen“ hatten. Den ersten Tag, bei Starkwind und Dauerregen, verbrachten wir unter anderem per Auto („PS-Tourismus“) auf engen, sich entlang der brandungsumtosten Küste schlängelnden „Single Track“-Straßen.
Am zweiten „Frei-Tag“ war das Wetter viel besser. Zuerst besuchten wir Nigel Dennis‘ Kajak-Fabrik, wo wir vom Chef persönlich eine Führung und viele Einblicke in den Kajak- und Paddelbau erhielten. Nachdem wir uns mit Kleinteilen für unsere privaten Kajaks eingedeckt hatten - und eine der Hamburger Mitpaddlerinnen sich entschloss, ein NDK-Gebrauchtkajak zu erwerben -, teilten uns wir uns. „Team Hamburg“ ging auf Shopping-Tour in Holyhead, „Team Berlin“ wanderte zum „Breakwater Park“.
Der ehemalige Steinbruch für die großen, über zwei Kilometer langen (!) Wellenbrecher vor der Hafeneinfahrt von Holyhead ist inzwischen in ein Industriedenkmal mit umgebendem Landschaftspark umgewandelt worden. In der Sommersonne brutzelnd genossen wir dieses Kleinod, bevor es zwischen Koppeln, Wiesen und Wochenendhäuschen zurück nach Holyhead ging.
Am Donnerstag zogen wir uns windbedingt in die geschützt liegende Menai Strait (ein Meeresarm zwischen der Insel Anglesey und der britischen Hauptinsel) zurück. Nach einer einleitenden Schulungseinheit von Eila, wie wir unsere Steuerschläge noch effizienter gestalten und mit vollem Körpereinsatz das Boot noch besser drehen/versetzen können, ging es los. Ausgiebig konnten wir bei schnellfließendem Wasser (teilweise bis zu 10 km/h) sowie kleinen und großen Tidal Races das „technische Paddeln“ üben - mal mit Erfolg, mal nicht. Aber jedem hat es etwas gebracht. Bei Kaffee, Limonade oder auch einem Bier konnten wir dann im Sonnenschein Erfahrungen austauschen und Pläne für den letzten Paddeltag schmieden. Der Wetterbericht versprach so einiges …
Rhoscolyn mit dem ca. einen Kilometer vorgelagerten gleichnamigem „Beacon“ (ein Beton-Turm auf einem Felsen, der als Ansteuerungsmarke für die Seeschifffahrt dient) war das Ziel des Tages - und wohl unbestritten Höhepunkt des Paddelurlaubs! Eine Mischung aus schnell strömendem Gewässer, hohen Brandungswellen entlang der Felsen sowie einem 5er bis 6er Wind, der die Dünung auf gut 1,5 m hochtrieb, erlaubte uns die eigene Komfortzone auszutesten und zu erweitern. Seekajaks sind eben treue und verlässliche Begleiter in allen „Paddellagen“!
Später erzählte uns Eila „ganz nebenbei“, dass zwei einheimische Paddelgruppen sich nicht bzw. nur kurz aus dem geschützten Strandbereich getraut hatten. Berliner Binnenpaddler/Hamburger Elbe-Paddler können also auch was (trauen)!
Das „Abenteuer“ abschließend drehten Conny, Garci und ich - nachdem Karin und ich bereits am Vortag in der Menai Strait einige Kajakrollen gedreht hatten - noch einige „Victory-Rollen“ in den (dann zugegebenermaßen nicht mehr ganz so hohen) Wellen. Glücklich, aber das unvermeidliche „Schade schon wieder alles vorbei!“-Gefühl verspürend, luden wir dann zum letzten Mal die Boote auf den Trailer. Das „nasse“ Ende des Urlaubs war erreicht.
Doch von Anglesey und Eila verabschiedeten wir uns mit einem exquisiten Abendessen im über dem Strand von Rhoscolyn liegenden „White Eagle“. Im Gegenzug bekamen wir dabei noch einen spektakulären doppelten (!) Regenbogen. Nach einem weiteren Landurlaubstag erwanderten wir dann endlich auch den nicht von mehr Gischt überspülten Breakwater bis zum an seiner Spitze liegenden Leuchtturm (mit quadratischer Grundfläche). Am Sonntag verließen wir dann Anglesey - nur vorübergehend bis nächstes Jahr, so viel dürfte sicher sein…
Text: Richard
Fotos: Conny, Richard, Britt (Hamburg)