Kalte Kajaks in Karlshagen

TKV Ostseecamp 2.0 vom 1. bis 3. Oktober 2022 für Einsteiger mit Vorkenntnissen

Gastbericht und Fotos von Constanze (Leipzig)

Regen pladdert auf meine beschlagene Brille, mit meinen klammen Händen versuche ich hektisch ein bisschen Stabilität ins Boot zu bringen, ich erkenne nichts mehr und höre nur noch Wolfgangs Stimme irgendwo im Regennebel hinter mir. Und meine Nase läuft.

Und ich bin – einfach nur begeistert. Und voller Adrenalin.

Auf der Ostsee paddeln? Im Oktober bei 10 Grad Außentemperatur? Klang für mich, vorsichtig ausgedrückt, nicht gerade verlockend. Besonders wenn die eigene Paddelkarriere im (von Ralf milde belächelten) Kolibri begann und sich eher in warmen Sommergewässern entfaltete. Doch da Thomas (mein standhafter Gefährte in Wasser, Wald und Welt), die Aussicht, dick verschnürt in eiskalten Wellen zu kentern, nicht genug abschreckte, konnte ich nicht kneifen. Zumal jede gemeinsame Outdoor-Zeit unbezahlbar ist. Und neugierig bin ich sowieso. Auch auf die TKV-Truppe. Na ja und Ostsee… geht ja immer.

Dass ich dann aber am Samstagnachmittag auf einmal selbst im Boot saß, kam ebenso überraschend wie folgerichtig angesichts der Hartnäckigkeit, Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft des gesamten TKV-Ostsee-Teams. Obwohl die da alle schon eine ordentliche Tour in den Knochen hatten. Und ich nur bewundernd zugucken und knipsen wollte.

Überredet von Erik, Neo-verschnürt von Paulina und kajakterisch begleitet von Wolfgang ging es dann ganz schnell ins Boot. Der erste Eindruck: Kälte, Regen und Wind fühlen sich in den richtigen Klamotten einfach nur gut an. Während Strandspaziergänger mit dicken Mänteln und Mützen vorbeistapfen, bekomme ich einen Moment Oktobersommer geschenkt. Ich darf draußen sein! Auf dem Wasser! Und nichts fühlt sich kalt oder unangenehm an. Ein ganz großes „Hut ab“ vor der zeitgenössischen Funktionskleidungs-Industrie. Die können was. In Paulinas Neo-Long John samt Schuhen und Eriks Langarm-Paddeljacke plus Schwimmweste fühle ich mich nicht nur warm, sondern richtiggehend geborgen.

Und rein geht’s in die Brandung. In Eriks schnittigen orangen Boot, ähm Entschuldigung, Seekajak. (Natürlich doppelt geschottet, mit Spritzdecke und Rundumleine). Das wiegt gefühlt nix und tanzt sofort auf den Wellen. Leider auch auf meiner Nase. Denn ich will ja da durch! Nicht quer! Nicht drehen! Huch!

Vor allem will ich mich nicht blamieren und gleich direkt vor Thomas und dem Team ins Wasser plumpsen, respektive kentern; soviel Tiramisu kann ich gar nicht ausgeben, um das vergessen zu machen. Doch Wolfgang leitet mich hervorragend an und gepaart mit meinem übermotivierten aber wirksamen Paddeleinsatz bin ich – schwupps – auf einmal durch und auf, na ja, gefühlt offener See. Großartig! Unfassbar. Dort warten schon Thomas und Ralf und flankieren mich. Was ich allerdings kaum würdigen kann, denn mein Blick gilt nur der Ostsee und dem tänzelnden Boot. Und schon geht es wieder zurück. Und auf der Rückfahrt, als Sahnehäubchen, erwische ich (oder erwischt sie mich?) eine Traumwelle auf der ich - wusch - an den Strand surfe. NOCH MAL!!!

Den Gefallen erfüllen mir die Tegeler Seekajaken gern und so geht es mit wachsender Begeisterung raus und rein und raus und rein und raus und rein. Dank Wolfgangs ruhiger Stimme und seiner nützlichen kurzen Anweisungen fühle ich mich absolut sicher. Lerne, weniger kopflos drauflos zu paddeln und mein Boot mit der flachen Stütze zu stabilisieren, fange zweimal das Boot ab und kentere fast doch noch… Aber nur fast, puh.

Bis ich auf einmal bemerke, dass es – offensichtlich schon länger – regnet und ich kaum noch was sehe. Und mein Taschentuch ist eher ein triefender Schwamm. Wo sind die letzten 2 Stunden hin?

Und Regen? Welcher Regen?

P.S. Wer jetzt denkt, die TKV-Touren lassen sich auf grandiosen Outdoor-Wassersport reduzieren, hat nie mit Paulina Limoncello getrunken; mit Conny Tiramisu geteilt; mit Erik vor seinem Bus in der Sonne stundenlang beim Kaffee geklönt; von Richard gelernt, dass Hand auf den Kopf bedeutet „Ich komm klar!“; mit Wolfgang über seinen Berufswunsch gestaunt; mit Ralf sein löchriges Boot am Strand heimgeschoben (und mit Thomas ausdiskutiert, warum er das Tiramisu nicht gekriegt hat). Aber das ist – alles alles alles – eine andere Geschichte.

Hard facts

Beginn: Samstag, 1. Oktober 2022, 11:00 Uhr

Ende: Montag (Feiertag), 3. Oktober 2022, gegen 15:00 Uhr.

Trainingszeit vor Ort: ca. 18 Stunden

Übernachtung: Zelt & Bus

Wassertemperatur: ca. 14 Grad Celsius

Lufttemperatur: 10 und 15 Grad Celsius

Inhalte: Techniktraining unter Salzwasserbedingungen in kleinen Teams, Erwerb bzw. Vertiefung von grundlegenden paddeltechnischen Fähigkeiten, die zum sicheren Seekajakfahren im küstennahen Bereich notwendig sind, Bootsbeherrschung in Wind und Welle, Fahren und Verhalten in der Gruppe, Absprache von Signalzeichen, Starten und Landen – situativ je nach Wind bzw. Wellenschlag vom Strand, Zusammenspiel von Körper, Boot und Paddel; insbesondere aktives Sitzen (sog. Körpertrimm), Bootsgefühl und -kontakt, situative Anwendung von Paddelschlägen, effizientes Paddeln bei Seegang, Kurshalten und Richtungswechsel – aktives Sitzen, Kanten und Lehnen, Einsatz von Steuerschlägen wie Bogenschlag; Bug- und Heckruder, Konterschlag oder Kombinationen aus diesen Schlägen, Stoppen und rückwärts paddeln, Stützen - flache Stütze zum Stabilisieren des Bootes (im Stand und in Fahrt)

Wind

Samstag, 01.10.: aus südlicher Richtung (= ablandig) mit 10-14 Knoten (= 3-4 Beaufort) sowie Böen von 14-18 Knoten (= 4-5 Beaufort)

Sonntag, 02.10.: aus westlicher Richtung mit 7-9 Knoten (= 3 Beaufort) sowie Böen von 10-12 Knoten (= 3-4 Beaufort)

Montag, 03.10.: aus nordwestlicher Richtung (= parallel bzw. auflandig) mit 7-10 Knoten sowie Böen von 10-12 Knoten (= 3-4 Beaufort)