Nordseetour rund Spiekeroog und Langeoog

17. bis 20. Oktober 2019

Auf den Ostfriesischen Inseln war ich zuletzt 2008. Das war ziemlich zu Beginn meiner „Karriere“ als Seekajaker. Bei einer geführten Tour „Rund Spiekeroog“ saß ich in einem für mich viel zu kleinen PE-Leihboot. Meine Beine waren deshalb ständig eingeschlafen. Ich erinnere mich noch gut, welch großen Respekt ich vor den Wellen und der Weite der Nordsee hatte. Damals war ich so froh, dass der mir zugeteilte erfahrenere Partner einem „Schatten“ gleich nie von meiner Seite wich; insbesondere zwischen den Inseln in den ruppigen Seegatten. Nun, nach über zehn Jahren, bot die von Garci für den Sommer 2019 ausgeschriebene Tour zu den Ostfriesischen Inseln eine willkommene Gelegenheit zur Rückkehr. Klar konnte ich zwischenzeitlich viele Erfahrungen sammeln. Da Fahrten an die Nordsee mit einem Leihwagen für mich aber stets mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden sind, beschränkt sich meine selbst „erfahrene“ Revierkenntnis insoweit auf die Nordfriesischen Inseln.

Mittwoch, der 16.10.2019:
Schließlich musste die Nordseetour auf den Herbst verschoben werden. Vielleicht ein Grund, weshalb sich bloß fünf Teilnehmer/innen meldeten. Zwei waren dann leider kurzfristig verhindert und so startete am späten Nachmittag schließlich eine Vierergruppe mit zwei Autos (Karin und Conny sowie Garci und ich). Conny hatte in weiser Voraussicht kurz vor Bremen beim Campingpark Stürberg drei Zeltstellplätze reserviert. Dort sind auch spät anreisende Camper willkommen. So mussten wir die 512 km bis Neuharlingersiel nicht am Stück fahren.

Packen der Seekajaks auf der Mole von NeuharlingersielDonnerstag, der 17.10.2019:
Den folgenden Tag konnten wir dadurch ganz entspannt angehen. Es blieb noch genug Zeit zum Shoppen von leckerem Proviant, mit dem die Bootsspitzen getrimmt werden konnten. Bis zum Einsetzpunkt in Neuharlingersiel fehlte nur noch knapp ein Drittel der Gesamtstrecke. Unsere Fahrt führte vorbei an Oldenburg, Wilhelmshaven, Jever durchs Wangerland. Nachdem im belebten Hafen an der östlichen Mole beim Fähranleger flugs die Boote und Gepäck entladen waren, brachten Karin und Garci ihre Autos zu den Dauerparkplätzen hinterm Deich.

Seekajaks bei der Querung nach SpiekeroogDer Zugang zu den dortigen „Spiekeroog Garagen“ ist auf den Fährfahrplan abgestimmt. Das sollte man neben der Tidenplanung im Auge behalten. Hochwasser in Neuharlingersiel war um 14:40 Uhr. Kurze Zeit später paddelten wir mit abfließendem Wasser bei Sonnenschein und blauem Himmel los. Die Ostfriesischen Inseln Wangeroog, Spiekeroog und Langeoog lagen bei bester Fernsicht wie auf einer Perlenkette aufgereiht vor uns. Nachdem wir die mit einem Leitdamm gesäumte Hafenausfahrt verlassen hatten, nahmen wir Kurs Nordost in Richtung Ostecke von Spiekeroog.

Boje markiert die Strömung im Harle SeegattDank der gebündelten Unterstützung aus der Kombination von Tidenstrom und ablandigem Wind machten wir im Fahrwasser Alte Harle (Muschelbalje) gute Fahrt. Die Geschwindigkeit nahm im Harle Seegatt, der Engstelle zwischen Spiekeroog und Wangeroog, merklich zu. Das konnten wir beim Passieren der am östlichen Ende von Spiekeroog gelegenen Robbenbänke und anhand des markanten Neuen Westturms im Westen von Wangerooge, der steuerbords rasch achterlich auslief, eindrucksvoll sehen.

Auf den flachen Stellen der Tabaksbank am Nordostufer von Spiekeroog bildeten sich Stromkabbelungen. Für einen kurzen Moment wurde es etwas ruppig. Doch schon knapp 100 m nach dem erneuten Richtungswechsel war der Spuk bereits vorbei. Die Fahrt führte uns nun seeseitig entlang des Nordufers gen Westen. Auf dem endlosen Sandstrand waren vereinzelt Spaziergänger unterwegs. Wir hatten das Tageslicht optimal genutzt. Nach rund 20 km Fahrtstrecke schlugen wir außerhalb der Schutzzone 2 in der Abendsonne unsere Zelte am Strand auf. Während des Abendessens wurde es rasch dunkel. Für zwei von uns, die sich noch die Beine vertreten wollten, rundete eine Nachtwanderung in den Ort Spiekeroog den ersten Tourentag ab.

Nachtlager der Seekajaker am Strand von Spiekeroog

 

Freitag, der 18.10.2019:
Nach unserer ersten Inselnacht und einem kurzen Frühstück begann der zweite Fahrtentag mit dem üblichen Seekajaker-Fünfkampf: 1. Abbau des Nachtlagers, 2. Verpacken der Ausrüstung, 3. Bootswagen-Sandralley bis zur Wasserkante, 4. Zerlegen und Verstauen des Bootswagens unter Deck, 5. Start nach Feintuning und Bootstrimm. Bereits nach kurzer Fahrt erreichten wir das westliche Ende von Spiekeroog. Die Querung nach Langeoog über das Seegatt Otzumer Balje war geradezu ruhig. Rasch zeigte sich, dass der Name der Insel nicht von ungefähr kommt. So scheint der Nordstrand sich schier endlos lange hinzuziehen. Das Wissen von der Tourenplanung aus der Seekarte ist das eine, das tatsächliche Erfahren beim Paddeln jedoch das andere.

Unsere Vierergruppe war recht homogen und so wurde schnell klar, dass alle am gleichen Tag nach Möglichkeit noch den Schlag nach Baltrum in Angriff nehmen wollten. Leider war das Wetter instabil und wurde zur Belastung für die Reisekasse. Wir mussten nämlich bei einem längeren Landgang abwettern. So wurde der Durchzug einer Regenfront mit einer kleinen Gewitterzelle zunächst mit einem Mittagessen beim Griechen und einem Bummel durch den Ort überbrückt. Der anschließende kurze Starkregen erzwang dann den Besuch einer Eisdiele. Seekajaks am Strand von LangeoogKalorisch bestens versorgt bestiegen wir nachmittags schließlich wieder die Boote. Unser Versuch, das westliche Ende von Langeoog zu erreichen, um wenigstens einen Blick nach Baltrum zu werfen, war wegen des stetig zunehmenden Südwindes zwangsläufig zum Scheitern verurteilt; der pfiff mit 5 bis 6 Beaufort (in Böen 7) ablandig durchs Seegatt Accumer Ee. Die in (gefühlt) einer halben Stunde erkämpfte Strecke zerschmolz nach unserer 180 Grad-Kehrtwende in wenigen Minuten. Nachlaufende Wellen und der Wind brachten uns zügig unserem zweiten Nachtquartier näher.

Seekajak am Strand von Langeoog

 

Diesmal wählten wir einen einsamen Standabschnitt auf einem terrassenförmig hochgelegenen Plateau. Der Fußweg dorthin war zwar recht weit und nach den am Tag zurückgelegten 22 km beschwerlich. Doch dafür konnten unsere außerhalb der Zone 2 am Fuß der Dünen aufgebauten Zelte direkt von der Wasserlinie nicht gesehen werden. Dank des harten, muscheldurchsetzten Sandes rollten die Reifen der Bootswagen verhältnismäßig gut. Der Wind nahm über Nacht zwar deutlich ab, zerrte aber trotzdem hörbar an unseren Zelten.

 

Samstag, der 19.10.2019:
Der Weg zurück zum Wasser am nächsten Morgen fiel bergab und ausgeschlafen dann deutlich leichter. Zumal die Boote dank des verbrauchten Proviants wieder ein wenig leichter geworden waren. Ausgeruht und mit weniger Gegenwind fühlte sich die bereits am Vortag zurückgelegte Strecke diesmal deutlich kürzer an. Erst als wir unseren Kurs von 270 Grad auf 180 Grad änderten, um zum auf der Südseite der Insel gelegenen Langeooger Inselwatt zu gelangen, nahmen Wind und Wellen durch den Düseneffekt zwischen den Inseln in der Accumer Ee wieder kräftig zu. Meter für Meter pflügten wir dicht unter Land durch die infolge von Reflexionswellen aufgewühlte See. Dabei waren wir kaum schneller als die Fußgänger, die am Strand spazieren gingen. Erst als wir die schmalste Stelle des Trichters passiert hatten und wieder ostwärts in Richtung Spiekeroog fuhren, wurde es merklich ruhiger. Auf der im Süden von Langeoog gelegenen Wattseite bot sich uns ein völlig anderes Landschaftsbild. Leider zog sich der Himmel immer mehr zu und die ersten Regenschauer ließen nicht lange auf sich warten. Da im Langeooger Wattfahrwasser das Wattenhoch nur zur Hochwasserzeit passiert werden kann, stand auf der gesammten Wattfläche Wasser. Das Priel, welches wir als Fahrwasser nutzen wollten, zeichnete sich deshalb nicht klar ab. Zudem wurde die Navigation erschwert, weil es im Winterhalbjahr - anders als einen die Seekarte glauben macht - nicht mehr beprickt ist. Für mich ein Aha-Effekt, da ich bisher nur im Sommer auf der Nordsee gewesen bin (und ganz offensichtlich das Kleingedruckte n i c h t gelesen hatte). Infolge der fehlenden Fahrwassermarkierung fuhren wir längere Zeit über Flachstellen, auf denen das Wasser mitunter deutlich weniger hoch als 50 cm stand. Das kostete Kraft und erschwerte das Vorankommen spürbar.

Wieder beim Seegatt Otzumer Balje angelangt, welches wir am Vortag in der Gegenrichtung passiert hatten, querten wir nun zurück nach Spiekeroog. Ziel war der an der Südwestseite der Insel nahe des Hafens gelegene Zeltplatz. Erwartungsgemäß wurden im Seegatt die Fahrtbedingungen wieder deutlich herausfordernder. Dort fanden wir Wellen von bis zu gut einem Meter Höhe vor. Diesmal liefen sie jedoch in unsere Fahrtrichtung und konnten somit für kurze Surfs genutzt werden. Aufgang zum Zeltplatz SpiekeroogDa die Wellen leicht schräg von hinten kamen, war das Surfen, ohne die Balance zu verlieren, aber nicht so leicht. Conny und Karin, die noch nicht oft unter solchen Bedingungen gepaddelt sind, fuhren hochkonzentriert und meisterten den Ritt mit Bravour. Da der Aufgang zum Zeltplatz von Spiekeroog recht steil ist, ließen wir die Boote dort unten zurück.

Nach erneut 22 km Strecke eine gute Wahl! Selbst allein mit dem Campingmaterial in den blauen IKEA-Taschen bepackt fiel der Aufstieg nicht leicht. Da wegen des Saisonendes der Campingplatz ohnehin bereits geschlossen war, entschieden wir uns dazu, die Zelte auf der kleineren Stellfläche am Rande des Fußballfeldes aufzubauen. Die anderen drei waren schnell genug und saßen bereits im Zelt, als uns der nächste kräftige Schauer erwischte. Als Trödler machte ich aus der Not eine Tugend und nutze den Spaziergang im Regen fürs Entsalzen meines Trockenanzugs. Mein Zelt baute ich dann erst nach dem Guss auf.

Am letzten Abend wollte keiner von uns mehr selber kochen. So spazierten wir diesmal alle gemeinsam in den Ort Spiekeroog. Zu meiner Überraschung war der sehr gut besucht. Ohne Reservierung fiel es nicht leicht, für vier Personen einen Tisch im Restaurant zu finden. Es gelang uns nur deshalb, weil wir schon am späten Nachmittag gleich nach Öffnung zu Abend aßen. Der Heimweg zum Zeltplatz wurde zu einer wunderschönen Nachtwanderung bei sternenklarem Himmel. Leider gab’s noch eine Schrecksekunde, als Karin umknickte und sich den Knöchel verstauchte.

Seekajaker am Strand der NordseeSonntag, der 20.10.2019:
Am letzten Tag war zum Glück nur noch der kurze Schlag zurück nach Neuharlingersiel zu bewältigen. Die knapp 8 km waren rasch zurückgelegt. Da der Ein-/Ausstieg an der Slipanlage etwa ab 2 Std. vor/nach Hochwasser möglich ist, konnten wir dort bereits am frühen Nachmittag anlanden. So traten wir unsere Heimreise nach Berlin am Sonntagnachmittag frühzeitig an. Doch nicht, ohne uns zuvor noch in der „Fischerei Genossenschaft“ mit einem maritimen Mal zu stärken.

FAZIT:
Mein ganz herzliches Dankeschön an Garci für die hervorragende Vorbereitung und Leitung der Genusstour von gut 70 km. Seine Idee, in der Nachsaison rund Spiekeroog und Langeoog zu fahren, war ein tolles Erlebnis. Nach gut zehn Jahren konnte ich dieselben Ostfriesischen Inseln nunmehr mit ganz anderen Augen genießen. Dieses Mal hatte ich genug Zeit, um die Natur und die Paddelgesellschaft um mich herum ausgiebig zu beobachten. Vermeintlich Bekanntes mit neuen Augen zu betrachten lohnt sich also durchaus. Es wäre schön, wenn sich 2020 wieder TKV-Mitglieder zusammenfänden, die die Nordsee-Erkundung fortsetzen wollen.

Text und Fotos: Wolfgang